ADEBAR-Leseprobe - page 6

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Das Brutareal des Weißstorchs umfasst Teile der Paläarktis von der Ibe-
rischen Halbinsel und Nordwestafrika über Osteuropa und die Türkei bis
zum westlichen Iran und - davon abgesetzt- Zentralasien. Mit Ausnahme
von Großbritannien und einiger nordischer Länder brütet er in fast allen
Staaten Europas. Desweiteren besteht in Südafrika ein kleines Brutvor-
kommen. Besiedelt werden sowohl trockene als auch feuchte nahrungs-
reiche Offenlandschaften.
Weißstorch 
Ciconia ciconia
Bruthabitat, Bestand und Verbreitung
Der Weißstorch brütet in Deutschland bevorzugt in naturnahen
Niederungen mit hohem Grünlandanteil und hoch anstehendem
Grundwasser. Höchste Dichten werden in periodisch überfluteten
bzw. im Frühsommer staunassen Stromtal- und Auwiesen nachge-
wiesen. Neststandorte bestehen heute ganz überwiegend in Sied-
lungen innerhalb oder am Rand von Nahrungshabitaten im Offen-
land
  [685]
. Die Nester werden auf Schornsteinen und Kirchtürmen,
v. a. aber auf Dachreitern oder Masten als Nisthilfen, angelegt. Nes-
ter auf Bäumen findet man insbesondere in der Niederlausitz. Die
höchsten Brutplätze liegen bei 550m ü.NN
  [120,685,1162,1878]
.
In Deutschland brüteten im ADEBAR-Zeitraum bis zu 4400 (2008)
wilde Weißstorchpaare. Hinzu kommen Paare, die in Anbindung an
Vogelgehege brüten und/oder abhängig von Zufütterungen sind.
Ihr Anteil am deutschen Gesamtbestand umfasst etwa 5–10%.
Deutschland beherbergt etwas mehr als 2% des Europabestandes
von 180000–220000 Paaren
  [207]
.
Das Hauptvorkommen im Nordostdeutschen Tiefland umfasst
etwa zwei Drittel des Gesamtbestandes in Deutschland. Dieser
Naturraum wird bis auf den Nordosten des Schleswig-Holsteini-
schen Hügellandes sowie großflächige Acker- und Heidelandschaf-
ten nahezu flächendeckend besiedelt.Dichteschwerpunkte verteilen
sich entlang der Elbtalaue mit angrenzenden Bereichen der Sude-
niederung, demWendland, der Altmark und Prignitz. Hier wurde in
derWittenberge-Rühstädter Elbniederung mit 43 Brutpaaren/TK die
höchste Dichte nachgewiesen. Ein weiterer Dichteschwerpunkt mit
bis zu 21–50 Brutpaaren/TK liegt im Spreewald.
Im Nordwestdeutschen Tiefland setzt sich die regelmäßige Ver-
breitung in der Schleswig-Holsteinischen Geest, entlang von Aller
und Weser bis in die Flussmarschen im Elbe-Weser-Dreieck fort. Die
höchsten Konzentrationen wurden im Bereich Bergenhusen (hier
bis zu 24 Brutpaare/TK) und den Flussniederungen von Eider, Treene
und Sorge festgestellt.
In der Mittelgebirgsregion zeichnet sich ein bandartiges Schwer-
punktvorkommen mit dichter Besiedlung in der Oberrheinebene ab.
Hier wurden im Rheingau, im Bereich des Hessischen Rieds, mit bis
zu 30 Brutpaaren/TK ähnliche Dichten nachgewiesen wie im Tief-
land. Regional bedeutendere Vorkommen finden sich noch in der
Wetterau sowie in den Beckenlandschaften Mittelfrankens.
Im Alpenvorland ist der Weißstorch zusammenhängender vom
Hegau über Oberschwaben und das bayerische Schwaben bis in den
Nordteil des niederbayerischen Hügellandes verbreitet. Der Süden
des Alpenvorlandes ist hingegen nahezu unbesiedelt.
Bestandsentwicklung
Die anhaltend rückläufige Entwicklung des Weißstorchbestandes in
Deutschland hat sich in den 1990er Jahren positiv gewandelt. Der
kurzfristige Trend (1985–2009) wird als zunehmend eingestuft
  [1776]
.
Im 19. Jahrhundert war die Art insbesondere im Norddeutschen
Tiefland noch sehr häufig und außerhalb der Mittelgebirge flächen-
haft verbreitet. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts ging der Bestand
stark zurück. Mit dem Rückgang war regional auch ein Arealverlust
festzustellen
  [685]
.
Im Jahr 1934 fand der erste internationale Weißstorchzensus
statt, der für Deutschland in den damaligen Grenzen einen Bestand
von etwa 9000 Paaren ergab
  [1635]
. Bis Ende der 1950er Jahre nahm
der Bestand stark ab. In Ostdeutschland (damalige DDR) hatte er
zu dieser Zeit mit ca. 2 500 Brutpaaren seinen Tiefststand erreicht.
Anschließend bewegten sich die Bestandszahlen bis Ende der 1980er
Jahre im Bereich zwischen etwa 2 500 und 3000 Brutpaare
  [1315]
. Im
Westen hielt der negative Bestandstrend bis Ende der 1980er Jahre
an
  [860,1683,1800]
.
Seit Mitte der 1990er Jahre schwankte der bundesweite Gesamt-
bestand um 4000 Horstpaare, mit Ausnahme der „Störungsjahre“
1997 und 2005. Der Stopp der negativen Bestandsentwicklungwurde
regional u.a. durch Artenschutzprogramme mit Vernässungsprojek-
ten, verstärkter Weidetierhaltung und Flächenstilllegungen geför-
dert. Im Jahr 2004 wurde mit knapp 4 500 Horstpaare der größte
Brutbestand seit 1996 registriert, der jedoch im darauf folgenden
„Störungsjahr“ auf unter 3 700 Horstpaare zurückging. Nicht einge-
flossen sind hier zugefütterte Weißstörche, deren Anteil insbeson-
dere in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg beträchtlich
ist
  [867,1284]
.
Die jüngere Entwicklung stellt sich imWesten und imOsten unter-
schiedlich dar. Der Bestandsanstieg der westlichen Teilpopulation
wird einerseits auf die Verkürzung des Zugweges und die günstigere
Nahrungssituation in den Überwinterungsgebieten zurückgeführt,
andererseits aber auch auf die z.T. ganzjährige und kontrovers dis-
kutierte Zufütterung
  [721]
. Demgegenüber ist in den östlichen Bun-
desländern kein Bestandszuwachs zu verzeichnen. Es wird vielmehr
davon ausgegangen, dass dieWeißstorchbestände Ostdeutschlands
durch Zuzug aus den Verbreitungszentren in Osteuropa gestützt
werden
 [1578, 1579]
. Regional zeichnen sich bereits Rückgänge ab, so z.B.
in Sachsen, wo der ADEBAR-Bestand deutlich unter der Schätzung
für Mitte der 1990er Jahre
  [415,1696]
liegt.
Für den Schutz des Weißstorchs ist es wichtig, die Verluste an
Strommasten und elektrischen Leitungen zu minimieren und ins-
besondere die Nahrungshabitate so zu verbessern, dass ein für den
Bestandserhalt ausreichender Bruterfolg ermöglicht wird
  [1578,1801]
.
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