ADEBAR-Leseprobe - page 12

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Das Rotkehlchen ist vor allem ein Bewohner borealer, gemäßigter und
mediterraner Wälder mit hauptsächlich europäischer Brutverbreitung,
die sich darüber hinaus bis Nordafrika, in die Türkei, den Iran sowie nach
Westsibirien erstreckt. Auch die ostatlantischen Inseln (Azoren, Madeira,
Kanaren) sind besiedelt. Die Art fehlt auf Island, im äußersten Norden des
europäschen Festlands, in den Steppen Russlands sowie auf den kleineren
Mittelmeerinseln.
Rotkehlchen
Erithacus rubecula
Bruthabitat, Bestand und Verbreitung
Das Rotkehlchen gehört zu den häufigsten Brutvogelarten Deutsch-
lands und besiedelt eine Vielzahl vonWaldtypen in hoher Stetigkeit
und Dichte. Die höchsten durchschnittlichen Abundanzen werden
in Feuchtwäldern, Laubniederwäldern und Fichten-Stangenhölzern
erreicht, mit Spitzenwerten von bis zu 25 Revieren/10ha in Laub-
niederwäldern und bis zu 19 Revieren/10ha in Hartholzauen und
Eichen-Hainbuchenwäldern
  [302,464]
. Die Art ist auch noch recht regel-
mäßig in hochwüchsigen Hecken und in Feldgehölzen halboffener
Agrarlandschaften anzutreffen. In Dörfern, Gartenstädten, Kleingär-
ten undWohnblockzonen ist das Rotkehlchen seltener, erreicht aber
auf Friedhöfen und in Parks Dichten von durchschnittlich 3, maximal
11 Revieren/10ha
  [464]
. Die Alpen werden bis zur Waldgrenze besie-
delt. Die höchsten Brutplätze liegen bei 1 900m ü. NN
  [177]
.
Der ADEBAR-Bestand von 3,2–4,1 Mio. Revieren entspricht etwa
5–7% des auf 43,0–83,0 Mio. Paare geschätzten europäischen
Gesamtbestandes
  [207]
.
Die Häufigkeitsverteilung des Rotkehlchens spiegelt recht gut
dieWaldverteilung in Deutschland wider, wie die
Dichtekarte
zeigt.
Modellkarte
und
Kombikarte
stimmen gut überein. Allerdings
ergeben sich sowohl aus der Hochrechnung auf Basis der
Ökologi-
schen Flächenstichprobe
in Nordrhein-Westfalen als auch aus den
Kartiererangaben (z.B. in Schleswig-Holstein) für einige Bereiche
höhere Dichtewerte, als in der Modellkarte dargestellt.
Im Norddeutschen Tiefland werden hohe Dichten von 1 001–3000
Revieren/TK (nur sehr selten darüber) in den tiefen Lagen Nordrhein-
Westfalens, in den großen, nadelholzdominierten Waldkomplexen
der Lüneburger Heide, Süd-Mecklenburgs, der Ruppiner Schweiz
und der Schorfheide, des Flämings, des mittel- und ostbrandenbur-
gischenWald- und Seengebiets und der Niederlausitz erreicht. Dünn
besiedelt mit zuweilen unter 50 Revieren/TK sind die Küstenregio-
nen von Nord- und Ostsee sowie die gehölzarmen Agrarlandschaf-
ten, z.B. der nördlichen Uckermark, des Oderbruchs, der Magdebur-
ger Börde und der Leipziger Tieflandsbucht.
Auch in der Mittelgebirgsregion ist das Rotkehlchen in den gro-
ßen Waldlandschaften am häufigsten, mit regelmäßig über 1 000
und teilweise über 3 000 Revieren/TK im Harz, Teutoburger Wald,
Bergischen Land, Sauerland, Hunsrück, Taunus, Pfälzerwald, Oden-
wald, Spessart, Thüringer Wald, Fichtelgebirge, Erzgebirge (hier
aber seltener und meist unter 1 000 Reviere/TK), Schwarzwald
und Bayerischem Wald. Geringe Dichten mit verbreitet unter 150
Revieren/TK treten in intensiv genutzten Agrarlandschaften Rhein-
hessens und des nördlichen Oberrheingrabens und im Thüringer
Becken auf.
Eine ähnliche Situation besteht im Alpenvorland, Dort ist das
waldreiche, den Alpen vorgelagerte Hügel- und Moorland mit höhe-
ren Dichten (über 400 Reviere/TK) besiedelt. Hingegen liegen die
Dichten im landwirtschaftlich intensiv genutzten Donautal und im
nördlichen Alpenvorland teilweise niedriger (z.B. im Gäuboden). Für
die Alpen wurden teilweise recht hohe Dichten modelliert.
Bestandsentwicklung
Langfristig wird der Bestand als stabil eingestuft, kurzfristig (1990–
2009) zeigt sich eine leichte Abnahme
  [1776]
.
Belastbare Datenreihen zur langfristigen Entwicklung liegen
allerdings nicht vor. Es wird lediglich davon ausgegangen, dass sich
Bestandsabnahmen aufgrund des Verlustes von Lebensräumen
durch Ausräumung und Zersiedlung der Landschaft sowieWaldster-
ben einerseits und Bestandszunahmen aufgrund der Verbuschung
von Mooren und Trockenlebensräumen sowie Waldzuwachs ande-
rerseits dieWaage gehalten haben könnten
  [45]
.
Nach der zusammenfassenden Auswertung von mittel- und nord-
deutschen Siedlungsdichteuntersuchungen hat der Bestand des
Rotkehlchens im Zeitraum 1955–1985 sowohl in Laub- und Nadel-
wäldern, als auch in der halboffenen Feldflur sowie in Dörfern, Gar-
tenstädten und Parks stark zugenommen
  [464]
. Diese Entwicklung hat
sich im Zeitraum nach 1990 nicht mehr fortgesetzt. Nach den Daten
des
Monitorings häufiger Brutvögel
zeigt sich seitdem ein leichter
negativer Trend, der vor allem auf einem Rückgang imOsten beruht.
Da das Rotkehlchen empfindlich auf Kältewinter reagiert
  [45,471, 1246]
,
könnte die Abnahme mit dem Auftreten einiger strengerWinter seit
1990 in Zusammenhang stehen. Die jährlichen Bestandsschwan-
kungen korrelieren hochsignifikant positiv mit der mittleren Janu-
artemperatur
  [471]
. Dabei ist interessant, dass die Waldpopulationen
des Rotkehlchens deutlich empfindlicher auf harteWinter reagieren
als die urbanen Bestände. Zudem verlief der Bestandstrend außer-
halb der Wälder (in Siedlungen und halboffenen Agrarlandschaften)
positiv, inWäldern dagegen negativ. Auch dieser Unterschied könnte
in der größeren Empfindlichkeit der Waldpopulationen gegenüber
strengenWintern begründet sein. Schließlich gibt es Hinweise, dass
sich starke Frühjahrsniederschläge negativ auf den Bruterfolg aus-
wirken, denn zumindest im Osten Deutschlands waren verregnete
Frühjahremit Bestandsrückgängen imfolgenden Jahr verbunden
  [471]
.
Die beobachtete leichte Abnahme spiegelt sich nicht in den bun-
desweiten Bestandsangaben der Roten Listen für den Zeitraum von
1995–2005 wider. Mit zuletzt 2,80–4,30 Mio. geschätzten Revieren
zeigt sich eine gute Übereinstimmung mit dem ADEBAR-Ergebnis
  [47,
1764,1967]
.
1...,2,3,4,5,6,7,8,9,10,11 13,14,15,16
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