ADEBAR-Leseprobe - page 8

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Das geschlossene Brutareal des Rotmilans erstreckt sich in einem breiten
Gürtel von Spanien über Frankreich und Deutschland bis nach Polen.Wei-
tere Vorkommen verteilen sich zerstreut im Norden bis Schottland, Däne-
mark und Südschweden, im Osten bis in die Ukraine sowie im Süden bis
zur Südspitze Italiens. Aktuelle Vorkommen in Nordwestafrika sind unge-
wiss. Der Rotmilan besiedelt vor allem offene Kulturlandschaften von den
Tieflagen bis in die Mittelgebirge.
Rotmilan 
Milvus milvus
Bruthabitat, Bestand und Verbreitung
Der Rotmilan besiedelt bevorzugt offene, reich strukturierte Land-
schaften. Die Neststandorte befinden sich vielfach in lichten Alt-
holzbeständen und an Waldrändern. Im Verbreitungszentrum, dem
Nordharzvorland, werden heute vorrangig störungsarme Feldge-
hölze, Baumreihen und sogar Einzelbäume genutzt. Wichtig sind
kleinsäugerreiche Nahrungshabitate mit niedriger Bodenvegeta-
tion, z.B. Äcker in den Börden oder ausgedehnte Grünländer in den
Mittelgebirgen im Süden und Südwesten Deutschlands und in eini-
gen Regionen des Norddeutschen Tieflandes. In Hessen liegt das
Mittel der Höhenverbreitung zwischen 350 und 450m ü.NN
  [529]
. Im
Schwarzwald sind Bruten bis in eine Höhe von 1 080mü.NN bekannt
geworden
  [391]
.
Der ADEBAR-Bestand beläuft sich auf 12000–18000 Paare. Der
Anteil Deutschlands am europäischen und damit weltweiten
Bestand von 19000–25000 Paaren
  [207]
beträgt über 50%, was für
keine andere unserer Brutvogelarten zutrifft
  [1320]
.
Das weitgehend geschlossene Hauptverbreitungsgebiet in
Deutschland umfasst im Wesentlichen das Nordostdeutsche Tief-
land, weiterhin die nördliche und zentrale Mittelgebirgsregion sowie
südlich etwas davon abgesetzt die Schwäbische Alb und das westli-
che Alpenvorland. Gehäuft hohe Dichten von 21–50 Paaren/TK sind
v. a. in den Börden, im nördlichen Harzvorland, der Altmark, am
Vogelsberg, in der Leipziger Tieflandsbucht sowie auf der Baar und
im Hegau zu erkennen. Zwischen Leipzig und Halle wurde mit 47
Paaren/TK die höchste Dichte ermittelt.
Im Nordwestdeutschen Tiefland setzt sich das Hauptvorkommen
im Anschluss an das Dichtezentrum im Harzvorland bis in die Bör-
den und das Allerurstromtal fort. Entlang der nordwestlichen Areal-
grenze kommt der Rotmilan nur noch zerstreut zwischen Elbe und
Weser bis an den Rand der Marschen, lokal in der Schleswig-Holstei-
nischen Geest und etwas verbreiteter in Westfalen in der östlichen
Münsterländer Tieflandsbucht und imBereich der Hellwegbörde vor.
In der östlichen Mittelgebirgsregion erstreckt sich das geschlos-
sene Verbreitungsgebiet vom Thüringer Becken über das Vogtland,
Erzgebirge und Lausitzer Bergland bis hin zum Zittauer Gebirge. Im
Südosten (Bayerisches Vogtland, Fichtelgebirge, Oberpfälzer und
Bayerischer Wald) tritt die Art nur noch sehr lokal auf.
Das davon getrennte Vorkommen im Südwesten Deutschlands
setzt sich in der Schweiz fort. Verbreitungsschwerpunkte sind die
Schwäbische Alb und das westliche Alpenvorland. ImAllgäu und süd-
lichen Oberbayern erreicht der Rotmilan inzwischen den Alpenrand.
Die Oberrheinische Tiefebene, Mainfranken und die Fränkische Alb
werden zerstreut besiedelt. Im östlichen Alpenvorland beschränkt
sich das Vorkommen auf wenige lokale Brutvorkommen.
Bestandsentwicklung
Der Bestand des Rotmilans wird langfristig als stabil eingeschätzt.
Kurzfristig (1988–2009) ist er abnehmend
  [1776]
.
Noch Mitte des 19. Jahrhunderts war die Art regional der zweit-
häufigste Greifvogel nach dem Mäusebussard. Wenige Jahrzehnte
später war der Bestand in Deutschland aufgrund intensiver Verfol-
gung fast erloschen. Eine Wiederausbreitung setzte in den 1920er
und 1930er Jahren ein. Die anschließende Erholungsphase erreichte
regional bereits in den 1950er Jahren ein Maximum
  [566, 1153, 1355]
. Bis
in die 1980er Jahre blieb der bundesweite Bestand – bei lokalen
Schwankungen – insgesamt stabil. Für den Zeitraum von Anfang
der 1980er Jahre bis etwa Anfang der 1990er Jahre wird für das östli-
che Deutschland sogar noch von einer Zunahme um ca. 50% ausge-
gangen
  [1316]
. In diesem Zeitraum profitierte der Rotmilan vom Grün-
futteranbau in den Ackerbaugebieten
  [12,1517]
.
Spätestens zu Beginn der 1990er Jahre setzte jedoch ein modera-
ter Rückgang ein
  [1185]
,wie das
Monitoring Greifvögel und Eulen
belegt.
Von 1991–1996 sank der Bestand auf einer Fläche von 1 500 km² im
Nördlichen Harzvorland von 630 Paaren auf fast die Hälfte. Seit-
dem hat er sich dort etwa auf dem erreichten Niveau gehalten
  [1319]
.
Der Rückgang ging hier einher mit Veränderungen in der Brutha-
bitatwahl, wie die Räumung großer Wälder und die zunehmende
Nutzung von Baumreihen in der freien Landschaft
  [1322]
. Wichtiger
Auslöser war dabei offenbar die Änderung und zunehmende Inten-
sivierung der landwirtschaftlichen Nutzung. Auch in Brandenburg
war der Bestandstrend 1995–2006 negativ, bei deutlichem Rückgang
des Bruterfolgs
  [1517]
. Auffällig ist der gegenüber der Verbreitung Mitte
der 1980er Jahre
  [1435]
zu beobachtende Rückzug aus demNordwesten
Niedersachsens
  [929]
.
In Sachsen hielt die Bestandszunahme bis in den Zeitraum 2004–
2007 dagegen weiter an, begleitet von einer Bestandsverdichtung
in Teilräumen sowie der Erschließung von Brutgebieten im Berg-
land
  [1696]
. Positiv ist auch der Trend im etwas abgesetzten Verbrei-
tungsgebiet in Süd- und Südwestdeutschland. Auch hier wurden
neue Gebiete besiedelt, beispielsweise im Voralpenland
  [1455]
. Die
Ursachen für diese regionalen Unterschiede sind noch nicht hin-
reichend verstanden.
Um 2005 wurde der Bestand des Rotmilans für Deutschland
auf 10000–14000 Paare geschätzt
  [1764]
. Die im Maximum deutlich
höhere ADEBAR-Zahl ist der Summation der Häufigkeitsklassen der
einzelnen TK geschuldet und spiegelt deshalb keinen Anstieg wider.
Die tatsächliche Bestandsgröße dürfte eher am unteren Ende der
aufgezeigten Spanne liegen.
1,2,3,4,5,6,7 9,10,11,12,13,14,15,16
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